Manipulationstechniken

Manipulateure arbeiten oft mit einer Kombination von Überzeugungstechniken, den physiologischen und den psychologischen, um ihre Ziele zu erreichen.

I. Techniken, die vorhersagbare physiologische Reaktionen hervorrufen

Hyperventilation

Hyperventilation ist ein Überbegriff für Wirkungen, die durch verstärktes Atmen erzeugt werden. Dieser Zustand ist leicht herbeizuführen, wenn man Leute laut anhaltend singen oder schreien lässt. Überatmung kann z.B. auch durch verstärktes, intensives Ausstoßen der Luft zusammen mit eher ruhigen, ritualisierten Gesängen hervorgerufen werden. 

Lang anhaltendes Überatmen, bei dem große Mengen Luft in die Lungen ein- und ausströmen, erzeugt einen Abfall des Kohlendioxidspiegels im Blut, was zu einem Überschuss an Alkali im Blut führt. Man spricht dann von einer respiratorischen Alkalose (siehe auch unten). 

In milder Form produziert sie Schwindel und Benommenheit; man fühlt sich high und verliert die Fähigkeit zu kritischem Denken und Urteilen. Längeres und heftigeres Überatmen erzeugt ein kitzeliges Gefühl und Taubheit in den Fingern, Zehen und Lippen, Schwitzen, Herzklopfen, Ohrensausen, Zittern und Gefühle von Angst, Panik und Unwirklichkeit. Atmet man auch bei diesen Symptomen noch weiter, so kommt es zu Muskelkrämpfen, klauenartiger Verkrampfung der Hände und Füße, starken Schmerzen und Enge in der Brust, Herzrhythmusstörungen und verstärktem Brechreiz. 

Respiratorische Alkalose kann bis zur Ohnmacht führen. Oft fallen die Menschen dabei auf den Boden und sind kurze Zeit bewusstlos. Währenddessen atmen sie weniger als normal, was das Überatmen kompensiert und das Säure-Basen-Gleichgewicht im Blut wieder herstellt. Sie wachen schlaff und erschöpft auf und spüren, dass sie etwas Dramatisches erlebt haben. 

Manipulateure machten sich die Wirkungen der Hyperventilation zunutze. Sie wissen auch, wie wirkungsvoll es ist, wenn diese Erfahrungen sofort entsprechend gedeutet wird. Die Person wird durch das Reframing, das Umdeuten ihrer Erfahrung, von ihrer eigenen Wahrnehmung abgespalten. 

Der Gruppendruck und die systematisch erzeugten sozialen Zwänge sind so groß, dass niemand fragt: „Sind Sie sicher, dass es sich um eine überirdische Wirkung handelt und nicht vielleicht um die Wirkungen von Hyperventilation?“ 

 Repetitive Bewegung

Eine anhaltende wiegende Bewegung, von Klatschen begleitetes Singen, oft unterstützt von rhythmischem Trommeln oder Hintergrundmusik, oder fast jede über längere Zeit wiederholte Bewegung verändert den Bewusstseinszustand. Oft wird repetitive Bewegung mit Gesang verbunden, um die Wirkungen von Hyperventilation und Schwindelgefühlen miteinander zu verbinden. 

Die Wirkungen dieser Bewegungen werden von den Manipulateuren wieder als göttliches Wirken interpretiert. 

Bei diesem (Um-)Deutungsprozess können sie zudem Personen, die es wagen, sich über die induzierten Zustände zu beklagen, die Schuld daran zuschieben.

 

II. Psychologische Überzeugungstechniken

Trance und Hypnose

Trance ist ein Zustand, in dem unsere bewusste Wahrnehmung und Selbstwahrnehmung modifiziert wird. Unser Gewahrsein scheint sich zu spalten, wenn unser aktives kritisch-urteilendes Denken schwindet und wir von einem aktiven Modus in einen passiv-rezeptiven Modus der gedanklichen Verarbeitung hinübergleiten. Wir hören und sehen ohne Reflexion und Urteil. Manipulateure übermitteln Personen, die sich in einem solch verletzlichen Zustand befinden, Suggestionen, die ihren eigenen Zielen dienen. Menschen, die in einen veränderten Bewusstseinszustand kommen, werden gefügiger. Wenn unsere generalisierte Realitätsorientierung geschwächt ist, dann sind wir sowohl zugänglicher für Einflüsse von außen wie für Phantasien, die von innen aufsteigen. 

Gruppen, die mit mentaler Programmierung arbeiten, lassen ihre Mitglieder häufig Dinge tun, die Trance induzieren. Nachgewiesen ist dies für bestimmte Arten von Vorträgen und Predigten und für bestimmte geforderte Tätigkeiten wie lang anhaltendes Singen und repetitive Verhaltensroutinen. 

Tranceartige Zustände werden durch Hypnose erzeugt, sie können sich einstellen beim Eintauchen in Geschichten, die man liest oder hört, und bei starker Konzentration.

Indirekte oder natürliche Tranceinduktion

Die verbreitetste Technik ist als indirekte oder natürliche Tranceinduktion bekannt. Es sind Methoden oder Techniken, die benutzt werden, um kooperatives Verhalten anzuregen und den Widerstand gegen Veränderung abzubauen. Es wird zur Mitarbeit bewegt mit gewöhnlichen Worten im Unterhaltungsstil durch pacing und leading, das heißt durch Eingehen auf die Personen und Führung der Interaktion ohne Druck, ohne Anforderungen und ohne Befehle.

Menschen werden in eine lockere Unterhaltung verwickelt, hören den Manipulateur Geschichten erzählen und unbefangen dahin plaudern, ohne zu merken, dass das, was sich zwischen ihnen abspielt, sie in Trance unterschiedlicher Tiefe versetzt. 

Die meisten Führer dieser Gruppen betrachten das, was sie tun, wahrscheinlich nicht als Tranceinduktion. Doch arbeiten sie mit den wesentlichen Bestandteilen: Spiegeln und Führen, Ausnutzen positiver Übertragung und indirekter Suggestion – alles zentrale Elemente der Prozesse Hypnose und Trance. Gruppenmitglieder werden systematisch in einem bestimmten Vortragsstil geschult und angeleitet, darauf zu achten, dass der erwünschte Effekt bei möglichst vielen Zuhörern eintritt. 

Eine weit verbreitete Tranceinduktion besteht darin, sich auf allgemeine Erfahrungen zu beziehen. Indem der Sprecher ein Gefühl der Universalität in seinen Zuhörern wachruft, bewegt er sie zur Kooperation. 

Manchmal besteht die Induktionsmethode darin, Paradoxa und Widersprüche in die Rede einzustreuen. Das Bemühen zu verstehen, was gesagt wird, kann den Zuhörer von der Realität abkoppeln.

Geführte Imagination

Indirekte Tranceinduktion kann auch durch Geschichtenerzählen und andere sprachliche Erfahrungen erfolgen. Sprecher sprechen oft repetitiv, rhythmisch und so, dass man schwer folgen kann. Sie flechten Geschichten und Parabeln ein und benutzen Worte, die beim Zuhörer innere Bilder erzeugen – ein Vorgang, der geführte Imagination genannt wird. Jene, die sich darauf einlassen und aufhören, über die sie umgebenden Umstände zu reflektieren, fühlen sich plötzlich von der Geschichte absorbiert, entspannen sich und sind zugleich ganz konzentriert. Viele erleben dabei veränderte Bewusstseinszustände. 

Eine Technik besteht darin, lange detaillierte Geschichten zu erzählen, die die Aufmerksamkeit der Zuhörer ganz in ihren Bann ziehen. Dadurch kommen die Zuhörer in einen tranceartigen Zustand, in dem sie die Suggestionen und den Inhalt des Gesagten eher in sich aufnehmen, als wenn sie mit ihrem kritisch-rationalen Verstand zuhören würden. Die Führer, die mit geführter Imagination und anderen verbalen Techniken arbeiten, beobachten sehr genau, wie weit die Zuhörer mitgehen, wie sehr sie eintauchen und still werden, und steuern ihr Vorgehen entsprechend. Für viele Menschen ist es angenehm, in Trance versetzt zu werden. Es ist eine Erholungspause von den Alltagssorgen. 

Erforscher dieses Phänomens haben sechs Merkmale für tranceinduzierende Geschichten genannt: 

  • Keine plötzlichen Brüche
  • ein regelmäßiger beruhigender Rhythmus
  • Refrain und häufige Wiederholungen
  • ausgeschmückter harmonischer Rhythmus, um die Aufmerksamkeit zu binden
  • Unbestimmtheit der Bilder
  • ermüdende Verklausulierungen

Erfolgreiche Sprecher beobachten die Wirkung ihres Tuns genau und lernen die allgemeine Kunst der Überredung und Überzeugung je nach Bedarf anzupassen und neu zu formulieren.

Indirekte Anweisungen

Führer bringen ihre Anhänger dazu, das zu tun, was sie wollen, indem sie indirekte und versteckte Anweisungen geben, am leichtesten dann, wenn sie in einem veränderten Bewusstseinszustand, erschöpft, ängstlich oder unter Stress sind.

Revision der Lebensgeschichte

Zentral für die Gruppenphilosophie ist oft die Idee, dass die Gruppe eine Eliteorganisation ist, der aus besonders hochentwickelten Menschen besteht. Deshalb muss die Führung ein Schwarzweißbild von Mitgliedern und Nichtmitgliedern zeichnen, um die Mitglieder davon zu überzeugen, dass die Außenwelt schlecht und die Gruppenwelt gut ist. 

Diese Geschichten von einer verderbten Vergangenheit in einer bösen Welt, die normal aussehende Leute lächelnd erzählen, wirken auf Neulinge sehr überzeugend. Sie bestätigen und verstärken, was die Gruppe ständig suggeriert, dass die Welt draußen gemieden werden muss. Die Geschichten beweisen, dass es besser ist, in der geschützten guten Welt der Gruppe zu bleiben. Da wir alle dazu neigen, uns an die Umgebung, in der wir leben, anzupassen, ist es nicht überraschend, dass Neulinge ihre Biographie bald so darstellen, wie sie es von anderen gehört haben.

Gruppendruck und Rollenvorbild

Die meisten Gruppen trainieren neue Mitglieder entweder ganz direkt und offen oder durch verdeckte Methoden darin, sich gruppenkonform zu verhalten. Sie sondern in der Regel schon bei der Rekrutierung jene aus, die Schwierigkeiten machen, sich nicht anpassen, Regeln nicht einhalten, nicht in den Griff zu bekommen und schwer zu beeinflussen sind. Sie nehmen zu viel Zeit in Anspruch, und ihre Veränderung ist zu kostenintensiv. Sie stören die Atmosphäre, die der Führer aufbauen will, und werden deswegen frühzeitig aussortiert.  
 

Emotionale Manipulation

Unsere Neigung, uns in fixierten Verhaltensmustern zu bewegen, kann von Manipulateuren missbraucht werden, uns zu täuschen und zu beherrschen. Auch wirken Stimmungen in Gruppen ansteckend und können missbraucht werden: 

Konsistenz – Wenn man einer Gruppe gegenüber eine Verpflichtung eingegangen ist und sie dann brechen, löst das Schuldgefühle aus. 

Reziprozität – Wenn man die Zuwendung und Aufmerksamkeit einer Gruppe in Anspruch genommen hat, bekommt man das Gefühl, eine Gegenleistung erbringen zu müssen. 

Außenorientierung – Wenn man sich in der Gruppe umsieht, sieht man Menschen, die sich in einer bestimmten Weise verhalten. Man ahmt nach, was man sieht, und nimmt an, dass dieses Verhalten korrekt und gut ist und den Erwartungen entspricht. 

Autorität – Wenn man dazu neigt, Autoritäten zu respektieren, und der Führer für sich ein überlegenes Wissen, Stärke und eine besondere Mission beansprucht, wird man ihn als Autorität akzeptieren. 

Zuneigung – Wenn man Ziel von Taktiken ist, die darauf abzielen, dass man sich angenommen und geliebt fühlt, und wenn man seinerseits Zuneigung zu den Leuten der Gruppe empfindet, dann wird die Bereitschaft zur Anpassung und zum Gehorsam erheblich erhöht. 

Knappheit – Wenn gesagt wird, dass man ohne die Gruppe kein gutes Leben führen, keine Erfüllung, Erfolg oder Seligkeit - oder etwas anderes, was die persönlichen Bedürfnisse betrifft und die Gruppe anbietet - erlangen kann, dann wird man das Gefühl bekommen, jetzt einsteigen zu müssen.

Quelle:
Thaler Singer, M. &  Lalich, Janja. 1997. Sekten: Wie Menschen ihre Freiheit verlieren und wiedergewinnen können. Carl-Auer-Systeme Verlag. 



Respiratorische Alkalose

Unter einer respiratorischen Alkalose versteht man einen durch die Atmung (respiratorisch) verursachten Anstieg des Blut-pH-Wertes über 7,43 (Alkalose). 

Ursachen

Durch Überreizung des Atemzentrums wird zu viel ein- und ausgeatmet (Hyperventilation) und damit zu viel Kohlendioxid abgeatmet. Der CO2-Partialdruck in den Alveolen und im (arteriellen) Blut sinkt damit ab, da es zu einer Verschiebung des Puffergleichgewichts CO2 + H2O ↔ H2CO3 ↔ H+ + HCO3- nach links und damit zum „Verbrauch” von H+ (Säure) kommt. 

Zu einer Hyperventilation kommt es häufig durch psychische Einflüsse (v. a. bei Frauen in der Pubertät bis ins junge Erwachsenenalter in besonderen Stresssituationen), aber auch z. B. in großer Höhe, da der gesunkene Sauerstoff-Partialdruck durch ein erhöhtes Atemminutenvolumen ausgeglichen wird. 

Am häufigsten kommt die respiratorische Alkalose im Zusammenhang mit psychischen Belastungen und Angstzuständen vor. Durch die Angst wird vermehrt Adrenalin ausgeschüttet. Adrenalin regt das Atemzentrum an und es kommt zu einer Hyperventilation. Die Lunge atmet zu viel Kohlendioxid ab. Dadurch wird wiederum die Fähigkeit, Kalzium zu binden, gesteigert. Die Konzentration des freien Kalziums sinkt. Dadurch kommt es dann zu Muskelkrämpfen, was wiederum die Angstzustände steigert. Ein Teufelskreis ist entstanden. 

Gefahr

Bei einer (respiratorischen) Alkalose kann es zu Muskelkrämpfen, sog. Hyperventilationstetanien kommen. Dies kann bis zur Bewusstlosigkeit führen. 

Therapie

Bei psychisch bedingter Hyperventilation hilft es häufig, die betroffene Person zu beruhigen und zu einer bewussten (langsameren) Atmung anzuhalten. Gelingt dies nicht, kann der Effekt durch Rückatmung in eine Tüte, einen Beutel oder ein anderes Gefäß reduziert werden. Notfalls können auch die Hände (relativ ineffektiv) benutzt werden. Durch die Rückatmung der ausgeatmeten, CO2-reichen Luft kann der Patient das CO2 wieder aufnehmen, der ph-Wert stabilisiert sich und die Symptome gehen zurück. In schweren Fällen muss der Patient sediert werden.

 

http://de.wikipedia.org/wiki/Respiratorische_Alkalose

http://www.medizinfo.de/ernaehrung/saeuren-basen-haushalt/respiratorische_alkalose.shtml